Spaßgesellschaft

Theater

Ein Sittenbild

Inhalt dieses teils heiteren, teils bitteren Stücks: Eine Liebe blüht auf, eine ›Beziehung‹ steht auf der Kippe, ein Ex-Ehemann wird auf seinen Platz verwiesen und ein alter Mann stirbt. Ansonsten sieht man, wie bei der Firma ›Bragg Germany‹ gedacht und gelacht wird.

Alles ereignet sich während des Betriebsfests von ›Bragg Germany‹. Der Betrieb produziert ›Umwelttechnik‹ und hieß früher, in den goldenen Zeiten der Firma, ›Hahnemann und Lüscher‹. Im Verlauf des brutalen Wettkampfs auf den Weltmärkten wurde man von Bragg International aufgekauft und, welche Demütigung, ausgerechnet Zwolle, also ›Bragg Netherlands‹ unterstellt.
Man feiert auf einem völlig unatmosphärischen ›Aussiedlerhof‹.
Der Zuschauer sieht nur einen Ausschnitt des großen Treibens – eine Ecke in der Nähe der Getreidesilos, in der es sich das Departement ›Communication‹, früher Presseabteilung, gemütlich macht: glatter Betonfußboden, Metalltüren zu Silos und Vorratsräumen als Hintergrund usw. Alles ist mit Weinranken aus Plastik verhübscht. Es sind zwar Sonnenschirme aufgebaut; die Sonne knallt aber unerbittlich auf die Akteure. Ansonsten einige Klapptische und -bänke. Getrunken wird Bier, Sekt und Wein, Cola und Wasser. Den Wein gibt’s aus Literflaschen, Bier aus einer kleinen Zapfanlage.
Wesentlich für Stück und Stimmung sind überdimensionale Lautsprecher. Aus ihnen quellen Musik, Reden der Betriebsleitung, Durchsagen und Witze eines unfähigen Conférenciers.

In der Abteilung Communication, der früheren Presseabteilung, sind die Außenseiter der Firma, die sogenannten ›freischaffenden Künstler‹, versammelt. Werner Niggemann, 32, der Stellvertreter des Abteilungsleiters, führt hier gegenwärtig das große Wort. Der Abteilungsleiter selbst ist zurzeit in Kur und es ist zu wünschen, dass er da auch bleibt. Niggemann ist der Frauenheld der Abteilung, wenn nicht der ganzen Firma.
Petra Kinkel, 26, ›Team Assistent‹, immer ein lockeres Mundwerk und gute Tänzerin (kein Betriebsfest, bei dem sie nicht auf dem Tisch tanzt!), behauptet, sie würde Niggemann nicht nehmen und »wenn ihr ihn mir auf den Bauch bindet«. Na ja! Gegenwärtig hat Niggemann anscheinend ‘was mit Frau Soukakis, der Sexbombe der Poststelle, verheiratet und zwei kleine Kinder, aber so was stört ihn ja nie.

Der dramatische Kern des Stücks ist die überraschende Wiederkehr von Dr. Lothar Woberg, 46.
Dr. Woberg, der frühere Ehemann von Rosemarie Woberg, ist schlank, durchtrainiert und von beflissenem Ehrgeiz. Er hat seine Karriere innerhalb der Firma gemacht, noch zur Ära Hahnemann und Lüscher. Als er meinte, er sei soweit, ist er nach Südamerika gegangen, war sieben Jahre in Brasilien und hat da in Solaranlagen gemacht. Bei seinem Weggang glaubte Rosemarie, seine damalige Frau, sie würde ihn nie wiedersehen; er werde für immer in Südamerika bleiben. Die Scheidung selbst verlief völlig unproblematisch; er überließ ihr sogar anstandslos das Haus, das er von seinen Eltern geerbt hatte. Nun also die Nachricht, zum 1.Oktober tritt Dr. Woberg wieder in die Geschäftsführung ein. Für Rosemarie ist das ein Schock.
Rosemaries Mutter – Frau Doris Ritter, 59, – ist wegen der Neuigkeit freudig erregt. Es ist klar, sie wird alles tun, um Rosemarie und Lothar wieder zusammenzubringen. Günther Sawitzky, der jetzige ›Partner‹ ihrer Tochter, ist ihr suspekt: »Ich wundere mich nur, wie du das aushältst mit ihm ... Immer dieses feine Odeur nach Kläranlage, den dieser Mann um sich verbreitet .... Sein ganz spezielles Duftwasser!«
Dabei ist gegen Günther Sawitzky, 32, Rosis ›Lebensgefährte‹, in Wirklichkeit nichts zu sagen. Er ist ein großer, selbstbewusster Mann, auf seine Art auch gutaussehend. Er hat einen Spitzenposten im Bereich Abwasser, ist Mitglied des Betriebsrats und handwerklich sehr begabt. Rosemaries Haus hat er zu wesentlichen Teilen so aufpoliert, wie es sich nun präsentiert. Bevor er auf der Bildfläche auftauchte, war praktisch jede Wasserleitung verrottet.

Wer muss noch erwähnt werden? Selbstverständlich Herr Nadler, 56, ebenfalls ein Langgedienter der Abteilung ›Communication‹. Herr Nadler hält seit x Jahren den Kontakt mit der gedruckten Presse. Er ist ruhig, freundlich, hat immer diesen weltfernen Blick und im Grunde ist ein Dichter an ihm verloren gegangen. Mit dem Englischen hapert’s und deswegen wird er vom Abteilungsleiter gemobbt. Gott sei Dank ist der, wie bemerkt, zur Zeit in Kur und insofern kann Herr Nadler mal wieder durchatmen. Doch gerade er entwickelt sich zur tragischen Figur.