Was die Wissenschaft über den ›Bader von Mainz‹ zu sagen hat

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„Dies ist also der Tag, den der Bader Matthes so herbeigewünscht hat…Heute wird man ihm seine Braut bringen, das Röschen aus Nierstein.“ Mit diesen Sätzen beginnt der historische Roman „Der Bader von Mainz“, welcher 1988 von Hans Georg Thiemt und Hans Dieter Schreeb veröffentlicht wurde. Seitdem hat sich im Bereich der Mittelalter-Romane einiges verändert. Nachdem damals der Erfolgsweg dieser Gattung begann - man denke dabei vor allem an Umberto Ecos „Der Name der Rose“ - ist mittlerweile ein regelrechter Aufschwung in dem Bereich zu verzeichnen. Dennoch gibt es heute nur wenige wissenschaftliche Abhandlungen über dieses Thema. Viele dieser wissenschaftlichen Arbeiten stammen ebenfalls aus den 1980ern und beschäftigen sich vor allem mit bestimmten Romanen (z.B. „Der Name der Rose“) oder einem ausgewählten Themenbereich (bsp. „Tristan und Isolde“). Zur aktuellen Forschungslage ist hingegen kaum Material zu finden, obwohl die Masse der Bücher, welche alljährlich erscheinen und deren teils großer Erfolg, auf ein breiteres Interesse der Wissenschaft schließen lassen könnte.

Nun stellt sich hier die Frage, welche Veränderungen sich in den letzten zwei Jahrzehnten im Gebiet der Mittelalter-Romane vollzogen haben.
Während in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts primär Motive der Mythenrezeption, des fabulierenden Erzählens, der Endzeitthematik und des Selbstbezuges in der Literatur zu finden sind, lassen sich derweil drei große Themenschwerpunkte in der gegenwärtigen Mittelalter-Belletristik ausmachen: Frauengestalten, Krimis und Verschwörungsromane im Bezug auf die Katholische Kirche und vor allem auf die Kirchengeschichte. Wichtig ist hierbei der Gegenwartsbezug. Das Thema „Frauengestalten“ wird geprägt durch den Wunsch nach dem Streben nach einem starken Frauenbild; nach einer Frau, die sich in der von Männern dominierten Welt durchsetzt. Dieses kann in Nachfolge der Emanzipation bzw. Frauenbewegung gestellt werden. Während das „Röschen“, die Braut des Baders von Mainz, zwar versucht ihren eigenen Weg zu gehen, aber es ihr letztendlich nur partiell gelingt, ist der Charakter der Frauengestalten gegenwärtiger historischer Romane meist detaillierter beschrieben und für die Leserschaft eher greifbar. Viele dieser weiblichen Figuren fügen sich nicht in die bestehende Gesellschaftsordnung ein, wie es bei dem Röschen (vgl. "Der Bader von Mainz") der Fall ist. Man denke im Gegensatz zu dieser z.B. an „Die Päpstin“ (D.W. Cross) oder an „Die Raubritterin“ (Kari Köster-Löscher).
Zu den Kriminalgeschichten unter den historischen Romanen lässt sich festhalten, dass Kriminalliteratur bereits sehr lange gefragt ist und sich kontinuierlicher Beliebtheit erfreut. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang Sir Arthur Conan Doyle mit seinen Erzählungen über Sherlock Holmes ein großer Erfolg. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Thematik auch im Bereich der Mittelalter-Belletristik gern gelesen wird, wie z.B. „Bruder Cadfael und ein Leichnam zu viel“ (Ellis Peters) oder „Die Chronistin“ (Julia Kröhn).

Zweifel, Kritik und Misstrauen gegenüber der Institution Kirche sind heutzutage nichts Ungewöhnliches. Hinzu kommt, dass der Konflikt zwischen Christentum und Islam – im Bezug auf das Mittelalter denke man an die Kreuzzüge – heute aktueller denn je ist. Zum Beispiel in den Romanen „Die Ketzerin“ (Petter Berling), „Der Kreuzritter“ (Stephen Rivelle) oder „Die Päpstin“ (Cross), werden diese Motive verarbeitet…

(Der gesamte Text ›Das Mittelalter in der Gegenwart‹ auf ›Regionalgeschichte.net‹, einer Website des Instituts für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz.)