Meine guten Siebziger Jahre oder Stichworte statt einer Autobiographie

Biografisches

Jean Paul brach den Versuch einer Autobiographie ab: Er habe zu viele Romane geschrieben; er könne nichts Wahres mehr schreiben. Ich versuche erst gar keine Autobiographie; ich habe nie Tagebuch geführt, mein Gedächtnis ist so la-la und meine Großmutter habe ich zur Heldin von gleich zwei Romanen gemacht. Wo soll da noch Wahrheit herkommen? Die meisten Konflikte, die ich durchstehen musste, sind vergessen; eigentlich sind davon nur Schatten geblieben. Immerhin kann ich Stichworte zu meinem Leben liefern. Deswegen hier die Kurzfassung meiner Erinnerung an die Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts.

Die Siebziger Jahre waren vieles: Jahre der Weltraumfahrt, der RAF mit ihrem Terrorismus, die Jahre von ›Derrick‹ und der Farbe Orange. Es waren auch Jahre der Pornos, der Pornokinos und der Autoverrücktheit – bis hin zum Absturz in der Ölkrise samt autofreier Sonntage. Die Namen der Prominenten von damals, angefangen mit Helmut Kohl, Erich Mende oder Günther Nollau (Verfassungsschutz), ›Starjurist‹ Rolf Bossi oder ›Prinz Aurel‹ Goergen sagen den Meisten heute nichts mehr. Selbst der ›Partylöwe‹ Gunther Sachs und der ›Terrorist‹ Carlos sind vergessen. Damals konnte man keine Zeitung aufschlagen, ohne von ihnen zu lesen. Den Einen oder Anderen kannte ich persönlich, die Übrigen waren mir vertraut wie meine Familie.

Platz 3

1971 hatte die ›Bundeszentrale für politische Bildung‹ eine Untersuchung in Auftrag gegeben, wer am meisten für das deutsche Fernsehen schreibe. Mein Partner Hans-Georg Thiemt und ich kamen auf den ehrenvollen dritten Platz. Sieger wurde Herbert Reinecker (er hielt sich für den deutschen Simenon und schrieb auch ebenso viel wie jener); den zweiten Platz belegte Fritz Eckhardt, ein gleichfalls sehr fleißiger Wiener Autor und Schauspieler. Wir wurden alle vier im SPIEGEL und in dem Fachbuch ›Fernsehen in Deutschland, Band 3, Macht und Ohnmacht der Autoren‹, 1973 vorgestellt.

Zu der Zeit hatten wir, Hans Georg Thiemt und ich, bereits die ZDF-Serien ›Drei Frauen im Haus‹ und ›Vier Frauen im Haus‹ geschrieben, war bereits unsere sehr populäre Serie Der Kurier der Kaiserin‹ gelaufen; dies war die Serie, mit der der Burgschauspieler Klausjürgen Wussow seine Fernseh-Karriere startete und die bei seiner Todesnachricht noch in der Tagesschau genannt wurde. Ganze Generationen von Kindern in Deutschland und Österreich sind damit aufgewachsen. Dann folgten in den Siebzigern die Serien ›Drei Partner‹, ›Der Herr Kotttnik und ›Gesucht wird‹, alle drei ungewöhnliche Produktionen und Sujets. Weiterhin schrieben wir in diesen Jahren die Komödie ›Geldsorgen‹ und den Thriller ›Die Fahrt nach Schlangenbad‹, außerdem unseren ersten Tatort: ›Tote reisen nicht umsonst‹.

Und auch nicht unwichtig: In den siebziger Jahren sendete das ZDF drei Dokumentarspiele von uns: ›Die U-2-Affäre‹, 1970, ›Die Bilder laufen‹ 1972, ›Das Projekt Honnef‹, 1978. Das waren jeweils anderthalbstündige Fernsehspiele um historische Vorgänge und um reale Figuren, die zum Teil noch lebten.

Im Fall der U2 war es Francis Gary Powers, der amerikanische Spion bzw. Pilot eines Spionageflugzeugs. Merkwürdigerweise interessierte er sich für unsere Produktion und sprach noch zehn Jahre später in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt darüber. Er sagte: Ein Anruf bei Lockheed und sie hätten meine Adresse gehabt! Uns war und wäre es allerdings nie eingefallen, ihn zu befragen. Wir hatten naiverweise angenommen, er werde nach seinem hochdramatischen Austausch auf der Glienicker Brücke in Berlin irgendwie versteckt gehalten; lebe in einer Art Zeugenschutzprogramm, wie wir sie aus amerikanischen Krimis kannten. Immerhin haben wir im Fall Honnef – da ging es um Windenergie und einen Erfinder von Windtürmen – den Rüstungsminister des Dritten Reiches, Albert Speer, in seinem wunderschönen Haus in Heidelberg befragt. Ich war neidisch: auf den Ausblick auf Neckar und das Heidelberger Schloss und auf Speers Bucherfolge. Saß als Kriegsverbrecher im Gefängnis und kam als Multimillionär wieder raus! Ich muss zu seiner Ehre zugeben, Albert Speer war sehr höflich und geduldig mit uns.

Das Farbfernsehen war 1965 eingeführt worden, ›Der Kurier der Kaiserin‹ war eine der ersten deutschen Serien in Farbe. Farbfernseher waren aber noch Mangelware. Die meisten Haushalte besaßen ein Schwarz-Weiß-Gerät, das satte drei Kanäle empfangen konnte: ARD, ZDF und das jeweilige Dritte Programm. Entsprechend fielen unsere Einschaltquoten aus; manchmal lagen sie bei 50 Prozent Marktanteil (und darüber). Heute erreichen nicht mal Fußball-Länderspiele solche Quoten.

Wer nachts fernsehen wollte, hatte Pech: In den siebziger Jahren gab es noch den Sendeschluss, und nachts wurde nichts gezeigt. Das Rauchen war noch groß in Mode; unentwegt wurden in den Filmen Zigaretten angesteckt oder ausgedrückt. Ja, ich erinnere mich, als eine Freundin, die mir viel bedeutete, ›hinterher‹ im Bett rauchte, hatte ich das Gefühl, im französischen Film angekommen zu sein.

Was es zu sehen gab

Besonders beliebt waren in dieser Zeit deutsche Filme aus den Fünfzigern und Sechzigern, aber auch amerikanische Krimiserien wie ›Kojak‹ oder Die Straßen von San Francisco.  Auch der deutsche ›Tatort‹ fesselte.

Seit 1970 lösten Dutzende Polizeibeamte in allen Teilen Deutschlands, aber auch in Österreich und der Schweiz, Fälle für den ›Tatort‹. Von Anfang an wurden dabei auch sozialkritische Themen angesprochen.

Bezeichnend ist gleich der erste Fall, ›Taxi nach Leipzig‹, ausgestrahlt im November 1870. Ein Fernschreiben des Generalstaatsanwalts der DDR bittet die Strafverfolgungsbehörden der Bundesrepublik zur Mithilfe bei der Klärung eines Falles auf. An einem Autobahnrastplatz bei Leipzig ist die Leiche eines Jungen gefunden worden, der Schuhe aus der Bundesrepublik trug. Wenig später ziehen die DDR-Behörden ihr Hilfeersuchen zurück. Dem Hamburger Hauptkommissar Paul Trimmel geht der Nebensatz mit den westdeutschen Schuhen nicht aus dem Kopf. Sein Ostberliner Kollege Karl Lincke, mit dem er früher im Reichskriminalamt zusammengearbeitet hat, versichert ihm zwar: »Der Fall ist tot für euch«. Trotzdem beginnt Trimmel zäh mit eigenen Nachforschungen. Wie viele Tabus wurden allein durch diese Konstellation, wenn nicht gebrochen, so doch zumindest angetippt.

Das ZDF setzte die Serien ›Der Kommissar‹ und vor allem ›Derrick‹ dagegen. ›Der Kommissar‹, wie später ›Derrick‹ von Herbert Reinecker geschrieben, brachte es auf insgesamt 97 Folgen. Alle waren auf dem Kinoformat 35 Millimeter gedreht und alle konsequent in Schwarz-Weiß. Der Kommissar wurde vom 3. Januar 1969 bis zum 30. Januar 1976 ausgestrahlt, alle Folgen selbstverständlich zuerst im Abendprogramm des ZDF.

Den Erfolg ergänzte das ZDF dann ab Oktober 1974 mit ›Derrick‹. Auch diese Krimiserie hatte die heimliche Hauptstadt München als Schauplatz und brachte es auf 281 Folgen. Der ungelenke Hauptdarsteller Horst Tappert kam damit zu Weltruhm, wurde die Serie doch in mehr als hundert Ländern ausgestrahlt, von der Mongolei bis Feuerland.

Der Spiegel schrieb zum Abschied »So war es 23 Jahre lang: Mal höhnisch, mal respektvoll und immer ein bisschen fassungslos kommentierten Publikum und Kritiker, Freunde und Feinde der Serie ein Phänomen, das unerklärlich schien. In der Tat ist es ein Rätsel: Ein in Biederkeit erstarrter Oberinspektor, eher hässlich als ansehnlich, löst in eher langatmiger als atemraubender Weise einen eher durchschaubaren als kniffligen Fall. Fast ein Vierteljahrhundert tauchten immer dieselben Charaktere auf: das naseweise Muttersöhnchen, die devote Haushälterin, die neugierige Zimmerwirtin, die verbitterte grüne Witwe, der geldgeile Unternehmer, der sonderbare Aussteiger, die hörige Geliebte, die höhere Tochter. Und Du-Stephan. Und Ja-Harry. Die Welt sah nichts lieber als sie alle.«

Chancen

Die Erwähnung im SPIEGEL war wie ein Ritterschlag und hatte sehr erfreuliche, zum Teil sogar einschneidende Folgen. Das begann mit großen Artikeln in den überregionalen Zeitungen, Homestorys in TV-Blättern bis hin zu Gesprächen mit dem SPD-Schatzmeister Wilhelm Dröscher; wegen seines starken Engagements für ärmere Menschen wurde er gern als der gute Mensch von Kirn apostrophiert. Wir berieten mit ihm über eine Filmfirma, die wir – Thiemt und ich –gründen wollten und sollten und an der sich die SPD in der einen oder anderen Form beteiligen würde. Der Hintergrund: Wir wollten linke Themen aufgreifen und so populär gestalten, dass sie in dieser Form goutiert werden würden. Unsere Firma kam nicht zustande, weil Thiemt und ich uns nicht als Geschäftsleute trauten – ich generell nicht; Thiemt hatte das wirtschaftliche Scheitern seines Lehrmeisters Wolfgang Staudte miterlebt und wollte dem nicht nachfolgen.

Einen Menschen, den wir bei und durch Wilhelm Dröscher kennenlernten, war Rudolf Scharping, der spätere SPD-Vorsitzende (»Manches hat wehgetan, Oskar!«) Scharping war zur Zeit, als wir mit Dröscher in der ›Baracke‹ in Bonn verhandelten, dessen Assistent; später wurde das mit dem Begriff ›Dröschers politischer Ziehsohn‹ geadelt. Alle Eigenschaften, die ihn später auszeichneten, besaß Rudolf Scharping zu der Zeit schon.

Bei einer Tagung in Baiersbronn, ausgerichtet von der Bundeszentrale für politische Bildung, lernte ich die Kulturwissenschaftlerin Karla Fohrbeck kennen, mit der ich heute noch befreundet bin. Sie ist die Intellektuelle wie aus einem Bilderbuch und hat sich sehr um die materielle Versorgung der Künstler verdient gemacht. Zu Beginn der1970er Jahre hatte sie zusammen mit ihrem Partner Andreas Johannes Wiesand Studien zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Künstler sowie zum Arbeitsmarkt für Kunst- und Kulturschaffende erarbeitet, die es so nie zuvor gegeben hatte. Sie bot nüchterne, nie bedachte Fakten. Künstler galten bis dahin vielen Menschen als entrückte Phantasten, und den Unternehmen der Kulturwirtschaft wurde nur wenig politische und öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt. Das änderte sich durch die Studien von Fohrbeck und Wiesand. Ihr Wirken ermutigte Künstler, sich zusammen zu tun und offensiv ihre Rechte einzufordern; die Künstlersozialkasse kam dadurch zustande. Dagegen klagten die ›Verwerterverbände‹ wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels oder der Bundesverband Deutscher Galerien. Ihre Verfassungsklage blieb aber in den wesentlichen Punkten erfolglos.

Spätestens seit der Erwähnung im SPIEGEL gehörten H. G. Thiemt und ich zu den Autoren, die regelmäßig zu den ›Mainzer Tagen der Fernseh-Kritik‹ und zu anderen Zusammenkünften ähnlicher Art eingeladen wurden. Hier traf man Wissenschaftler mit steilen Thesen, führende Fachjournalisten, hin und wieder auch Produzenten. Den meisten von ihnen waren solche Zusammenkünfte suspekt: Zu viel Gequatsche. Ich profilierte mich anlässlich solcher Tagungen gegenüber meinem Partner. Waren wir anfangs aufgetreten wie Der gute Cop, Der böse Cop spielten wir nun Der Praktiker und der Feingeist.

Unser (gedämpftes) Renommee machte es auch möglich, dass wir uns bei der Obrigkeit beschweren konnten. Einmal meldeten wir uns beim ZDF-Programmdirektor an; das war zu dieser Zeit Dieter Stolte. Es gab einen Konflikt mit einem Abteilungsleiter, an den ich mich nur noch sehr dunkel erinnere. Stolte hörte uns in Ruhe an und fällte dann das salomonische Urteil: »Meine Herren, so sind die Menschen.«

Es muss etwa 1974 oder 1975 gewesen sein, als wir eine andere Berühmtheit als Financier für ein Filmprojekt gewinnen wollten, und zwar Dr. Fritz-Aurel Goergen. Er war damals bekannt als erfolgreicher Sanierer der Hütenwerke Phoenix in Duisburg und der Henschel-Werke in Kassel. Bei Henschel wurden Lastwagen, Lokomotiven, aber auch Panzer hergestellt; mit 13 500 Beschäftigten und 500 Millionen Mark Jahresumsatz gehörten die Henschel-Werke damals zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren Nordhessens. Goergen selbst war eine der mythischen Managerfiguren der Wirtschaftswunder-Jahre, damals aber (vorübergehend) eine Skandalfigur. Man hatte ihn bei einem Bankett von der Seite des damaligen Bundeskanzlers Erhard verhaftet und einige Zeit in ein Untersuchungsgefängnis gesteckt. Die Staatsanwaltschaft warf ihm betrügerische Rüstungsgeschäfte vor, konnte ihm aber nichts nachweisen und ließ ihn, als er im Gefängnis erkrankte, Ende 1973 wieder frei. Das Bundesverteidigungsministerium machte dann sein Ausscheiden aus der Geschäftsführung von Henschel zur Bedingung für einen neuen Großauftrag an den Konzern. Deshalb verkaufte Goergen seinen Anteil am Aktienkapital der Henschel-Werke für 110 Millionen Mark und war damit jedenfalls ein finanziell gemachter Mann. Wir schrieben ihn auf gut Glück an; schrieben ihm, dass wir ihn gern als Geldgeber für ein Filmprojekt namens ›Der Judenbengel‹ gewinnen würden. Zu unserem Erstaunen war er interessiert.

Wir trafen uns eines schönen Tages im Breitenbacher Hof in Düsseldorf, saßen sicher von 16 Uhr bis zwei Uhr, halb drei in der Nacht zusammen und tranken viel Whisky. Er erzählte aus seinem Leben, von seinen Erfahrungen im Gefängnis (unter anderem hatte er sich dort mit einem Hühnerzüchter angefreundet, der seine Hühnerzucht nicht halten konnte und die auch Goergen trotz größer Anstrengung nicht retten konnte) und war auch bereit, unseren angedachten Film zu finanzieren. Er verabschiedete sich etwas melancholisch, eigentlich weinerlich, von uns mit dem Satz: »Herr Thiemt, Herr Schreeb, wenn dann unser Film rauskommt, haben Sie den Ruhm und ich immer noch nur mein Geld.«

Mit dem Film wurde es dennoch nichts; Goergen wurde erneut schwer krank und zog nach Genesung in die Schweiz, wo er dann auch starb. Wir haben ihn leider nur einmal gesehen, eben an dem beschriebenen Abend im Breitenbacher Hof.

Eine IBM-Schreibmaschine mit Kugelkopf war mein nie erreichtes Traumziel; immerhin schrieb ich damals mit einer Olivetti mit austauschbarem Typenrad. Die halbelektronischen, sehr teuren Schreibautomaten kamen erst in den Achtzigern; sie revolutionierten das Schreiben. Die Texte wurden länger und länger, einfach, weil man nun so leicht korrigieren konnte. Vorher war das Überschreiben, Überkleben und mit Tippex korrigieren eine Qual gewesen. Wir, Thiemt und ich, beschäftigten lange eine Frau, die unsere Manuskripte am Ende sauber abschrieb, praktisch versandfähig machte. Sie war schwer zu begeistern; ein Lob von ihr irritierte uns im Allgemeinen mehr, als dass es uns erfreute.

Wie es angefangen hatte

Hans-Georg Thiemt und ich hatten uns im Herbst 1963 bei der Wiesbadener Filmfirma NFP, Neue Filmproduktion, kennengelernt. Die Firma wurde kurze Zeit später bekannt, als Erfinderin bzw. Produzentin der ›Mainzelmännchen‹; deren Väter waren Berthold Ebbecke und Wolf Gerlach. Ebbecke war, als ich ihn kennenlernte, Dramaturg der Firma, Wolf Gerlach dort Zeichner. Ebbeckes große Zeit war die Nazizeit, als er mit vielen Berühmtheiten in Unterhaltungsfilmen aufgetreten war, und zwar als Sänger und Schauspieler; er schrieb auch mit an Drehbüchern. Sein Debüt hatte er 1935 in dem Veit-Harlan-Film Krach im Hinterhaus.Was die Mainzelmännchen anging: Ebbecke hatte den Begriff erfunden und wurde mit einem Haushonorar dafür abgefunden; Gerlach traf wesentlich bessere Abmachungen.

In der NFP in der Wiesbadener Uhlandstraße wurden wir uns also von Ebbecke vorgestellt, Hans-Georg Thiemt und ich. Er war nach dem Krieg sechs Jahre Assistent von Wolfgang Staudte gewesen und arbeitete seit einigen Jahren als Regisseur von Kinokurzfilmen und Werbefilmen. Mit den Werbefilmen hatte er schönen Erfolg; hatte jedenfalls zu einem Triumph und einem Porsche 911 gereicht. Als ich ihn kennenlernte, lag meine Zeit als Programmredakteur des Südwestfunk-Werbefernsehens in Baden-Baden gerade hinter mir. Thiemt wollte weg von den Werbespots, ich wollte als freier Autor Karriere machen. Hans-Georg Thiemt erzählte mir jedenfalls von seiner Idee für einen kurzen Film für den Saarländischen Rundfunk. Er sollte Startverbot heißen und hieß auch so. Ich entwickelte das Exposee; innerhalb von vierzehn Tagen bekamen wir den Auftrag. Dann schrieben wir das Drehbuch gemeinsam und von da an hielten wir das über drei Jahrzehnte so.

1965 zog H.G. Thiemt mit seiner Frau in deren Elternhaus nach Idar-Oberstein an der Nahe; etwa achtzig Kilometzer von Wiesbaden entfernt, aber damals nur schwer zu erreichen. Dieser Umzug machte die Zusammenarbeit einerseits komplizierter, andererseits auch einfacher. Wenn wir schrieben, schrieben wir in Idar-Oberstein. Über Jahre lebte ich dann mehrere Tage pro Woche in seinem Haus, bis ich mir in Fischbach, auf der anderen Seite der Nahe, eine eigene Wohnung mietete.

Wir verfassten unsere Drehbücher buchstäblich Satz für Satz gemeinsam. Über viele Tage, viele Wochen, viele Jahre saßen wir in einem Zimmer und sprachen über ausgedachte und reale Figuren und Situationen. Dabei haben wir uns nie unser Leben erzählt, wie man eine Biographie schreibt oder auch nur einen Lebenslauf. Aber wenn man sich überlegt, was diese oder jene Figur tun könnte, um in diese oder jene Situation zu geraten und was sie machen muss, um sich daraus wieder zu befreien, dann gibt man schon viel von sich preis und man erfährt andererseits dabei viel über einen anderen Menschen. Einfach, weil man sein eigenes Urteil abgeben muss und es mit Erinnerungen aus dem eignen Leben vergleichen muss. Insofern kannten wir uns so gut, wie sich zwei Männer nur kennen können. Wir dachten ähnlich, aber nicht genau so.

In dem Fachbuch ›Macht und Ohnmacht der Autoren‹ wurden wir so charakterisiert: »Das Autorengespann Hans-Georg Thiemt / Hans Dieter Schreeb teilt sich Arbeit und Früchte wie einst Schönthan und Kadelbug oder Scheu und Nebhut.« Um diesen Satz zu verstehen, musste man bereits in den siebziger Jahren weit zurückdenken: Die beiden Ersten waren um 1880, 1900 tätig; die anderen Beiden in den Vierziger und Fünfziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts; gehörten zu festen Bestand der Adenauer-Jahre.

Wie auch immer, Thiemt und ich arbeiteten gut und konzentriert zusammen, ergänzten uns und lieferten jeweils pünktlich das Bestellte. Die Schwierigkeiten traten erst auf, als wir unsere Drehbücher zu Prosatexten umarbeiten wollten. Die ganze Sache fing an mit einem Anruf von Julius Breitschopf, dem Chef des Breitschopf-Verlags, Wien. Er war mit Kinderbüchern und vor allem mit Fernsehbücherln, wie er die Produkte nannte, sehr erfolgreich. Diese Bücher zu amerikanischen Erfolgsserien verkaufte er palettenweise in Kaufhäusern; zeitweise ließ er in neun Ländern gleichzeitig drucken. Breitschopf wollte uns im Münchner Hotel Königshof am Stachus treffen und als wir uns dort trafen, schlug er uns vor, unsere Serie ›Kurier der Kaiserin‹ in Buchform herauszubringen. Wir waren sofort dafür, zumal er für den Erfolg garantierte. Allerdings gab er uns den guten Rat: »Meine Herren, suchen Sie sich schon mal Grundstücke an der Riviera aus, aber warten Sie mit dem Kauf bis zur ersten Abrechnung!«

Ein sehr weiser Rat, wie sich herausstellte.

Wir schrieben zwar einige (sehr dünne) Bücher nach ›Kurier der Kaiserin‹, Breitschopf brachte sie auch heraus, der finanzielle Erfolg hielt sich aber sehr in Grenzen.

Der eigentliche Gewinn lag in etwas anderem: Wir stellten fest, dass wir zwar Drehbücher gemeinsam verfassen konnten, aber keine Bücher. Das gemeinsame Schreiben von Prosatexten funktionierte einfach nicht. Es hat eine Weile gedauert, bis wir verstanden, woran das lag: Drehbücher sind Handlungsanweisungen an sehr viele Menschen, Regisseure, Schauspieler, Bühnenbildner, Musiker, ja, noch an Produzenten. Sie müssen einerseits präzise sein, andererseits sehr vielen Menschen Möglichkeiten geben, ihre Phantasie einzubringen. Entsprechend sind manche Frauen ›sexy‹, andere ›verbissen‹ oder ›vom Leben gezeichnet‹. Was sich jeder darunter vorstellen will, ist dann seine Sache. So funktioniert aber kein Roman; nicht mal ein Fernsehbücherl.

Die Konsequenz daraus war: Ich schrieb alle Bücher, die unter unseren Namen erschienen, allein; Hans-Georg Thiemt arbeitete nur mit, wie ein Lektor das auch getan hätte. Unsere beiden Namen benutzten wir als Autorennamen, einfach deshalb, weil sie als Markenzeichen eingeführt waren.

Ehemann und Lover

Zu der Zeit war ich zum ersten Mal verheiratet und kam generell mit Frauen gut zurecht. Und das, obwohl ich in einem katholischen Priesterseminar sozialisiert worden war, was lange nachwirkte. In meiner Eigenschaft als zukünftiger Priester (meine Großmutter wollte sogar, dass ich Bischof von Limburg werde) habe ich als Elf- oder Zwölfjähriger gegen den Film ›Die Sünderin‹ demonstriert; danach habe ich nie wieder an einer Demo teilgenommen. In den siebziger Jahren war es jedenfalls keine große Kunst, Liebhaber zu sein – die Frauen befreiten und emanzipierten sich gerade und davon profitierte auch ich.

Unter anderem mit einer kapriziösen Freundin, die ich bei den Mainzer Tagen der Fernseh-Kritik kennengelernt hatte. Über Jahre waren dann solche Zusammenkünfte, etwa in Marl oder in München, unsere fest gebuchten Termine.

Einmal versuchten wir (das ist nun der Freundeskreis um meine Schwägerin und meinen Schwager, der sich gab wie die Figuren aus ›Der diskrete Charme der Bourgeoisie‹: Waren wir nicht bei ihnen, waren sie bei uns!) wir versuchten es also bei einem gemeinsamen Ausflug nach Rothenburg mit einer Schlüsselparty nach amerikanischem Vorbild. Die Sache gelang nur halb; es gingen nur die miteinander ins Bett, die es bei anderer Gelegenheit auch getan hatten oder es sich bereits fest vorgenommen hatten. Nun, im Film ›Eissturm‹ ist diese Geschichte ja auch kein voller Erfolg; wahrscheinlich ist sie das nie.

Mindestens einmal im Jahr gab ich eine große Grillparty im Garten mit Spießbraten aus Idar-Oberstein; nein, mindestens zweimal – einmal für den Kreis von Gleichen, von dem ich gerade gesprochen hatte; ich war quasi durch Heirat hineingewachsen. Und zum anderen für Leute, die mir wichtig waren, etwa Redakteure des ZDF usw. Während bei der einen Party jeder jeden kannte (und einige auch etwas miteinander hatten oder gehabt hatten oder noch haben würden), war der zweite Kreis wesentlich bunter.

Insgesamt hielt ich mich immer mehr oder minder abseits, versuchte mich hier und da mit Ehrenämtern – bei der SPD, bei einem Drogenverein. Bei der SPD engagierte ich mich in der etwas exotischen Arbeitsgemeinschaft Selbständiger in der SPD, abgekürzt AGS. Hier war ich im rührigen Bezirk Hessen-Süd über Jahre Mitglied des Vorstands; Schriftführer, wie sich das bei meiner Profession gehört. Der Drogenverein kümmerte sich um die eigentlichen Opfer von Drogensucht: um die Angehörigen der Drogensüchtigen. Es ist bemerkenswert, wie die Sucht die Umwelt der Drogenkonsumenten veränderte; bis hin zu Drogenmüttern, die ihre gesamte Rechtfertigung aus dem Drogenkonsum ihrer Kinder zogen. Nach einiger Zeit verlor ich jeweils das Interesse, machte aber weiter mit … So ging es mir auch mit meinen Liebschaften.

Nur Fliegen ist schöner

Die Siebziger Jahre waren eine Zeit mit vielen Telefonzellen und der Autoverrücktheit. Es gab Autoschalter und Autokinos, Automessen und Autocorsos; der ADAC hatte ein ähnlich hohes Ansehen wie das Bundesverfassungsgericht. Zwar wusch man sein Auto samstags nicht mehr selbst auf der Straße; dies war wohl aus Umweltgründen verboten worden und entsprechend florierten die hochmodernen Waschstraßen. 1973 drohte ein Engpass der Versorgung mit Erdöl; die Behörden verfügten daraufhin vier ›autofreie‹ Sonntage. Lediglich Taxis, Ärzte sowie Frischwaren-Lieferanten durften fahren. Staunend nutzten viele Bundesbürger die Möglichkeit, einmal eine Autobahn zu Fuß oder per Fahrrad zu erleben. In der Folge erschienen zahlreiche ›kulturkritische‹ Essays, die das Autofahren gänzlich infrage stellten. In normalen Zeiten war der Lada mit seinem robusten Russencharme ein Star auf den Straßen; der Opel GT (»Nur Fliegen ist schöner«) Kult bei jungen Menschen. Ich fuhr unter anderem einen VW-Porsche 914; mit 1,7-Liter-Vierzylinder-Boxermotor mit 80 PS und drei Sitzen nebeneinander. Das Dach konnte man abnehmen und das Ganze war in einem eleganten Dunkelblau gehalten. Später räumte mir ein Autohändler, der zum skizzierten Freundeskreis gehörte, einen anständigen Kredit ein, und danach fuhr ich nur noch Citroen.

Kollegen und Freunde

Im Laufe der Jahre arbeiteten Hans-Georg Thiemt und ich mit sehr unterschiedlichen Filmfirmen und vielen Fernseh-Redakteuren zusammen. Ich erinnere mich gut an sehr beamtenhafte Gestalten bei ARD und ZDF; auch an einige originelle – und besonders stark an den tragischen Tod von einigen.

Etwa von Gerd Wolf, dem ZDF-Abteilungsleiter, der uns anfangs eine Serie nach der anderen in Auftrag gegeben hatte. An einem Wintertag fuhr er, um abzukürzen, über eine eisüberzogene Panzerpiste und verunglückte tödlich. Wir, HG Thiemt und ich, mussten seiner Frau die Todesnachricht überbringen. In gewisser Weise waren wir auch die Leidtragenden der Tragödie. Durch seinen Tod stellte sich heraus, dass nicht das ZDF uns über Jahre beauftragt hatte, sondern er persönlich. Mit seinem Tod hörten schlagartig alle weiteren Aufträge auf. Wir mussten uns über Jahre anstrengen, die frühere ›Produktionskapazität‹ wieder zu erreichen. Das gelang uns nur, weil wir nach dem Tod von Gerd Wolf sehr Unterschiedliches für unterschiedliche Sender schrieben – bis hin zu Drei-Minuten-Sketche für den Südwestfunk.

Dann wird mir der Tod von Hans-Peter Renfranz für immer unvergesslich bleiben. Wir kannten ihn seit dem Tag, an dem er beim ZDF angefangen hatte. Er wurde einer der zuständigen Redakteure für Krimiproduktionen beim ZDF und zu meinem Erstaunen auch ein erfolgreicher Schriftsteller. Letztlich brachte es ihn um, dass sein Vater im Krieg als Euthanasiearzt Tausende von Kranken ermordet hatte. 1987 erfuhr er ohne Vorwarnung und nur durch einen langen Artikel in der ZEIT von der Beteiligung seines Vaters an den Euthanasie-Verbrechen. Hans Peter Renfranz sagte mir, sein Vater habe mit ihm nie über seine Vergangenheit gesprochen, und das glaube ich ihm auch. Die Enthüllung der Verbrechen des Vaters töteten letztlich den Sohn. Im März 1990 starb Hans Peter Renfranz an einem Gehirnschlag, noch keine fünfzig Jahre alt

Ein Schauspieler, dessen Schicksal uns besonders naheging, war Walter Sedlmayr, der immer nur als Volksschauspieler apostrophiert wurde.

Sedlmayr, 1926 geboren, hatte über Jahrzehnte treu an Münchner Theatern gespielt, abernie eine Hauptrolle. Dann gab man ihm in unserer Serie ›Drei Partner‹ quasi die Hauptrolle; er fiel dabei vollkommen aus dem Rahmen. Mir schien es, als spielten alle Übrigen in Schwarz-Weiß, er aber in Farbe. Wie viel Leben steckte in jeder Handbewegung von ihm! Daraufhin schrieben wir ihm die Rolle ›Der Herr Kottnick‹, die Hauptfigur der gleichnamigen Serie, praktisch auf den Leib. Damit und dem Syberberg-Film Theodor Hirneis oder: wie man ehemal. Hofkoch wird, war er aus dem Fernsehen nicht mehr wegzudenken.

Am 15. Juli 1990 wurde Sedlmayr von seinem Privatsekretär tot im Schlafzimmer seiner Wohnung in Schwabing gefunden. Der Schauspieler war mit mehreren Messerstichen an Hals und Nieren verletzt und dann mit einem Hammer erschlagen worden. Durch die Ermittlungen erfuhr die Öffentlichkeit erstmals vom Privatleben des ›Volksschauspielers‹. Sedlmayr stand zeitlebens im Spannungsfeld zwischen seinem bürgerlichen, konservativen Image als Vorzeige-Bayer und seiner von ihm verheimlichten Homosexualität.

Wenn wir mit ihm zu tun hatten, saß immer sein vollkommen stummer Chauffeur mit am Tisch. Ich glaube nicht, dass er ihn je vorgestellt hat; er saß einfach nur da, sagte nichts und wir sprachen ihn auch nicht an.

Die Ermittlungen der Polizei konzentrierten sich anfangs auf die Stricherszene. Schon bald stellte sich jedoch heraus, dass die Auffindesituation massiv gestellt worden war. Sedlmayrs Privatsekretär geriet durch ein gefälschtes Testament in Verdacht. Zu guter Letzt wurden Sedlmayrs ehemaliger Ziehsohn Wolfgang Werlé und dessen Halbbruder Manfred Lauber festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Und nun Einiges über den Regisseur Rolf von Sydow und den Schauspieler Uwe Friedrichsen, sozusagen pars pro toto. Gemessen an den Hunderten von Schauspielern, für die wir Rollen schrieben, und gemessen an den Dutzenden von Regisseuren, die unsere Geschichten verfilmten, habe ich nur sehr wenige Schauspieler und Regisseure kennengelernt und selbst wenn, blieb die Bekanntschaft meist sehr an der Oberfläche. Das hat einfache, praktische Gründe: Die Drehbücher werden oft Jahre vor ihrer Verfilmung geschrieben und am Drehort sieht man Autoren nur ungern. Ihre guten Ratschläge will niemand hören; Autoren stören erfahrungsgemäß nur.

Bei den beiden Genannten war es anders. Mit Beiden arbeiten wir gut zusammen und mit Beiden saßen wir oft und lange zusammen.

Sydows Vater entstammte dm brandenburgischen Adelsgeschlecht von Sydow, seine Mutter Ilse Bayerthal war nach nationalsozialistischer Definition Halbjüdin. Deshalb konnte Rolf seinen Kindheitstraum, Offizier oder Diplomat zu werden, nicht verwirklichen. Immerhin wurde er zur Wehrmacht eingezogen und war bis 1944 Panzerfahrer, wurde mehrfach verwundet und mit hohen Orden ausgezeichnet. (Ähnlich wie Hans Georg Thiemt: Er wurde als Kriegsberichter zweimal mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, weil er sich mit seiner Kamera vor russische Panzer geworfen und hochdramatische Bilder aufgenommen hatte.) 1947 begann Sydow seine Karriere als Schauspieler und Regieassistent beim Theater Coburg, ging zum RIAS nach Berlin und wurde dort jüngster Hörspielregisseur. Im Laufe der Jahre wurde er bekannt als Regisseur einer Vielzahl von Spielfilmen, Theater- und Fernsehproduktionen. Von uns verfilmte er 26 Folgen der Serie ›Stadt ohne Sheriff‹.

Rolf von Sydow war auch der Verfasser mehrerer Bücher, darunter die Autobiografie ›Angst zu atmen‹, in der er seine Jugend in der Zeit des Nationalismus beschrieb. 

Aus einem Grund, den ich nicht genau bezeichnen kann, haben mich jüdische Autoren, jüdische Probleme, jüdische Themen immer stark angesprochen. Meine Großmutter war zwar katholisch (hatte sogar über viele Jahre ein Verhältnis mit einem katholischen Prälaten), feierte aber noch 1944 Laubhüttenfest in ihrem kleinen, von ihr über alles geliebten Hotel. Alles, was mit Hotel und Hotelleben zu tun hat, habe ich auch schon mehrfach beschrieben; aber das ist ein anderes Feld. Jedenfalls machten H.G. Thiemt und ich merkwürdige Erfahrungen bei dem Versuch, Juden in normalen Fernsehgeschichten unterzubringen. Im Allgemeinen wurden alle Bemühungen in dieser Richtung schon bei den ersten Besprechungen gestoppt und gekappt; im Fall eines ›Tatort‹ noch am Drehort.

Unser einziger wirklicher Erfolg in der Hinsicht war die SWF-Hörfunk-Serie ›Der Judenbengel‹. Diese Serie erzählt in Form einer Abenteuergeschichte von einem jüdischen Jungen, der nur auf sich gestellt in Berlin die ersten Kriegsjahre übersteht. Die Serie kam allerdings erst 1989 heraus, als sich die Welt gedreht hatte. Leute, die den ›Judenbengel‹ am Autoradio gehört hatten, schrieben uns, sie hätten anhalten müssen, weil ihnen die Tränen nur so über das Gesicht gelaufen seien.

Was Uwe Friedrichsen angeht, so ist zu sagen, dass er zusammen mit anderen Weggefährten 1953 das ›Theater 53‹ in Hamburg gründete. Seine Schauspielausbildung finanzierte er sich durch Gelegenheitsarbeiten am Hafen und als Zeitungsjunge. Ida Ehre,die Prinzipalin der Hamburger Kammerspiele, wurde 1955 auf Uwe Friedrichsen aufmerksam und verpflichtete ihn, bevor er ein Jahr später von Gustav Gründgens an das Deutsche Schauspielhaus geholt wurde. Bis 1968 gehörte er zu dessen Ensemble, danach arbeitete er als freier Schauspieler. Er gab Gastspiele an der Freien Volksbühne Berlin, bei den Festspielen in Bad Hersfeld, am Thalia-Theater Hamburg. Stardirigent Herbert von Karajan sah den jungen Schauspieler an der Freien Volksbühne Berlin, engagierte ihn als Rezitator für einem Liederzyklus von Arnold Schönberg. Unter Karajan gastierte Uwe Friedrichsen sogar in der Mailänder Scala, im Music Center Hollywood und in der Royal Albert Hall in London. Auch in Musicals wie Chicago war er auf der Bühne zu bewundern. Große Popularität erreichte er mit der Rolle des Detektivs Jones Burte in der Krimiserie John Kling's Abenteuer (1965-1970), zum großen Teil inszeniert von H.G. Thiemt; später war er Gaststar im großen Thiemt-Erfolg Percy Stuart.

Uwe Friedrichsen steht für mich immer als Beispiel, wie schnell Fernseh-Berühmtheit einen in sexuelle Abenteuer verstricken können.

Thiemt als Regisseur

1972, 73 besuchte ich H.G. Thiemt bei Dreharbeiten in Barcelona. Es war vor der großen Stadterneuerung, Barcelona war mithin noch eine sehr düstere Stadt, wie ganz Spanien damals geheimnisvoll und bedrohlich wirkte. Mir imponierte der tägliche Tanz an der Kathedrale; abends aßen wir mit den Schauspielern und dem Stab oft in einem volkstümlichen Restaurant nahe der Ramblas. Man kam nur durch die Küche in den Essraum, der aussah wie eine Turnhalle.

In der Wochenschau wurden der zittrige Franco und der ebenso tapsige Haile Selassie (der ehemalige Kaiser von Abessinien) Arm in Arm gezeigt; die Zuschauer lachten. Da war mir klar, Francos Zeit ist zu Ende. Tatsächlich kam 1975 in Spanien (und auch in Griechenland) die Rückkehr zur Demokratie.

Wenn er hätte wählen müssen – schreiben oder Inszenieren – hätte H.G. Thiemt keine Sekunde gezögert. Er war nicht nur Regisseur; er gab auch gerne den Regisseur. Mit den Serien John Kling und Percy Stuart waren ihm wirkliche Renner gelungen. Umso mehr wurmte ihn, nein, kränkte es ihn, dass man Drehbücher von ihm haben wollte, aber keine Inszenierungen. Er trug es tapfer, aber gelegentlich brach es aus ihm heraus; besonders, wenn mal wieder ein Kollege eine sehr mittelmäßige Inszenierung eines unserer Stücke abgeliefert hatte.

Während dieser Jahre musste das ZDF mit mehreren Skandalen fertig werden. Gemessen an dem, was sich ein Hollywood-Produzent wie Weinstein erlaubte, waren die meisten davon Kinderstreiche. Allerdings gab’s auch richtige Skandale. Der SPIEGEL kam einmal mit einem Titelbild heraus: Das ZDF im Würgegriff. Damit war der Medien-Mogul Leo Kirch gemeint, ein Filmproduzent, der entscheidende ZDF-Redakteure und Programmdirektoren am Gängelband hatte und mit seiner Firmengruppe jährlich 120 Millionen DM Umsatz machte; zu der Zeit war das eine unvorstellbare Summe. Ich war als Zuträger selbst in den Skandal verwickelt; übergab wie gewünscht internes Material an Wildfremde. Das Ganze hatte einen Hauch von 007. Das Unglück war nur, die Zahlen, die ich weitergab, waren falsch und der Spiegel verlor seinen Prozess gegen Leo Kirch. Es ist nie herausgekommen, dass ich einer Handlanger gewesen war!

Zwei Männer, die ich während meiner ZDF-Jahre schätzen lernte, waren der Regisseur Stanislav Barabás und der Abteilungsleiter (und Autor) Heinrich Carle, beides ungewöhnlich kluge Menschen und beide Fans von Simenon und Patricia Highsmith. Carle stellte bei der Diskussion von Themen und Stoffen Fragen, die ich mir seitdem selbst stelle. Insgesamt sehe ich es als Unglück an, dass ich nur selten mit Männern, wie sie es waren, zu tun hatte; im Allgemeinen wurden wir mit gutwilligem Durchschnitt zusammengespannt.

Am Ende seines Lebens, sozusagen auf dem Totenbett, zog Hans-Georg Thiemt, was die ZDF- und ARD-Menschen anging, diese bittere Bilanz: »Wir haben wenig Leute kennengelernt, die zu kennen sich gelohnt hat«.

Gemeinsamer Urlaub

Wir, meine damalige Frau und ich, machten mehrmals Urlaub mit den Thiemts.

Unter anderem waren wir in einer Ferienanlage der Familie Kroke (sie befand sich in San Teodoro, nicht weit von der bestaunten Costa Smeralda entfernt) auf Sardinien. Den Tipp hatten wir von Rolf von Sydow. Damals wurden die Autos noch in Genua verladen – in riesigen Säcken aus Stahl und Eisen, dann hochgezogen und an Bord abgesetzt. Heute ist Annemarie Kroke, die Chefin der Wohnanlage von damals, meine unmittelbare Nachbarin (und Freundin); wir wohnen, wenn sie in Berlin ist, buchstäblich Tür an Tür. In der Hauptsache lebt sie immer noch in Sardinien, ist dort eine erfolgreiche Psychoanalytikerin mit weltweiter Praxis (per Zoom). Ihr Mann war ein bekannter Bildhauer. Er ist vor einigen Jahren hier in Berlin gestorben; es war ein Schock.

Meine (jetzige) Frau und ich – wir sind immerhin auch schon seit dreiunddreißig Jahren zusammen – besuchen Pit Kroke immer mal auf dem Waldfriedhof Zehlendorf, dem Prominentenfriedhof.

Dort liegt auch Willy Brandt, der Held meiner Siebziger Jahre. Einmal, bei einer Geburtstagsfeier zu Brandts 75. Geburtstag, saß ich Brandt unverhofft gegenüber. Nur er und ich an der bereits leeren Tafel; er hat nichts gefragt, ich habe nichts gesagt. Was soll man die Weltgeschichte persönlich fragen? Hinterher wurde ich für mein Schweigen gelobt; sehr gut gemacht! Brandt hasste, wie ich bei der Gelegenheit erfuhr, den unverbindlichen Smalltalk.

Andere Urlaube mit Thiemts haben meine erste Frau und ich in Arcachon verbracht. Arcachon, ein Urlaubsort am Meer im Südwesten Frankreichs, ist für seine Austernzucht bekannt. Noch heute bin ich verrückt auf Austern. Die vier Ortsteile Arcachons sind nach den Jahreszeiten benannt. Der Ortsteil Ville d'Été (Sommerstadt) beherbergt Einkaufsstraßen, den größten Sandstrand des Ortes und ein Casino aus dem 19. Jahrhundert. Südlich des Ortes liegt die Dune du Pilat, eine riesige natürliche Sanddüne, alles in allem eine Szenerie, wie ich sie liebe. Wir haben hier jeweils Ferienwohnungen gemietet; einmal waren wir nach Weihnachten dort. Es war das trübste Silvester, das ich je erlebt habe.

Zu dieser Zeit waren die oberitalienischen Seen und die Strände von Rimini und Jesolo die Traumziele der Deutschen. Mallorca wurde zwar ab 1960 immer bedeutender als Touristenziel; aber erst Anfang der 1970er Jahre kamen die ersten Deutschen auf die Idee, von Mallorcas Tourismus-Boom zehren zu wollen. 1970 eröffnete der Düsseldorfer Altstadtkönig Erwin Bornscheuer mit großem Erfolg die erste Disco Mallorcas: das Carrusell. Als Pioniere des Pauschalurlaubs galten die deutschen Unternehmen Dr. Tigges und nachher Neckermann. Ich erinnere mich, als ich zum ersten Mal nach Barcelona fuhr, hatte Neckermann am Straßenrand ein Schild aufgestellt: »Wir brauchten drei Stunden von Frankfurt hierher … Wie lange Sie?«

Ich musste gestehen, drei Tage!

Über Pornos und andere Filme

Ich war von klein auf Freund des Kinos. Entsprechend habe ich alles gesehen, was damals aus Hollywood kam; weniger das, was die Deutschen produzierten. Immerhin habe ich das Meiste davon doch später im Fernsehen erleben dürfen, einschließlich der Fassbinder-Werke.

Hier eine Auswahl von Filmen, die ich aus sehr unterschiedlichen Gründen schätzte. Ich kann aber nicht mehr sagen, wann und wo ich sie sah … ›Apocalypse Now‹, ›Taxi Driver‹, ›Clockwork Orange‹, ›Star Wars‹, ›18 Stunden bis zur Ewigkeit‹, ›Der weiße Hai‹, ›Chinatown‹, ›Alien‹, ›Unheimliche Begegnung der dritten Art‹, ›Amarcord‹, ›Willkommen, Mr. Chance‹, ›Die amerikanische Nacht‹, ›Providence‹, ›Der Mann, der vom Himmel fiel‹, ›Vier Fäuste für ein Halleluja‹, ›Jakob der Lügner‹, ›Die Legende von Paul und Paula‹, ›Die Brücke von Arnheim‹, ›Picknick am Valentinstag‹, ›Wenn die Gondeln Trauer tragen‹, ›Harold und Maude‹, ›Eine Frau unter Einfluss‹, ›Alice lebt nicht mehr hier‹ …

Wenn man vom Film der 70er Jahre spricht, kommt man nicht daran vorbei, auch vom Porno dieser Zeit zu sprechen. Pornos und Pornokinos wurden zu der Zeit sozusagen salonfähig; dabei waren sie in der großen Mehrheit sexistisch, entwürdigend, geschmacklos, ja geradezu widerlich. Das änderte aber nichts daran, dass das Grundkonzept Porno ein durch und durch faszinierendes war, und dass Filme mit Sex im Mittelpunkt, inszeniert mit nicht simulierten Sexszenen, explizit und alles zeigend, erregende Filmerlebnisse sein können und es auch immer wieder waren. Die erotischen Filme aus Japan wie Im Reich der Sinne machten einfach nur Staunen und Der letzte Tango in Paris gehört heute zu den Filmklassikern. Belle de Jour – Schöne des Tages war zwar aus dem Jahr 1967. Aber seine große Zeit hatte er in den Siebzigern.

Ich hatte auch meine speziellen Erlebnisse und Erfahrungen in Sex-Kinos. Aber die hatte ich vorher schon in Pariser Varietés gesammelt und in einem Theater in Marseille, das darauf spezifiziert war, ›lebende Bilder‹ zu stellen. Das Licht ging jeweils so schnell an und aus, dass man schon gefuchst sein musste, wenn man nicht das Beste verpassen wollte.

Ich muss allerdings zugeben, die französischen Impressionen gehörten zu einem anderen Leben – es hatte mit dem von 1970 ff. nichts zu tun.

Die andere große Leidenschaft: Lesen

Ich glaube, ich las alle wesentlichen Autoren, die in den 60er und 70er Jahren erfolgreich waren. Dazu gehörten Heinrich Böll (›Gruppenbild mit Dame‹), Peter Weiss (bekannt wurde er mit dem Stück ›Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade‹, Siegfried Lenz (›Deutschstunde‹), Günter Grass (›Die Rättin‹) oder Martin Walser (Ein fliehendes Pferd‹).

In den Siebzigern erlebte der Roman einen neuen Aufschwung. Als Gegenbewegung zur politisch engagierten Literatur der 60er Jahre schrieben in den 70er Jahren wieder viele Schriftsteller über sich selbst und das, was sie erlebt hatten. Am Privaten maß sich die Gesellschaft, nicht zufällig sprach man von Neuer Subjektivität und Neuer Innerlichkeit. Typisch waren Werke wie ›Lenz‹ von Peter Schneider oder ›Klassenliebe‹ von Karin Struck, beide von 1973. Auch Botho Strauß und Martin Walser entdeckten die Neue Subjektivität.

Selbstverständlich gab es noch eine Reihe weiterer bedeutender Autoren, die mich interessierten, etwa Arno Schmidt, Wolfgang Hildesheimer, Ingeborg Bachmann, Uwe Johnson oder Peter Handke. Ich schätzte ›Tadellöser & Wolf‹ von Walter Kempowski; der Roman erschien 1971 und hieß nicht zu Unrecht im Untertitel: Ein bürgerlicher Roman. Kempowski hatte nach dem Krieg eine Weile in Wiesbaden gelebt und in einer amerikanischen PX aushelfen dürfen. Darüber erzählte er später Originelles. Auch Uwe Johnson und seine ›Mutmaßungen über Jakob‹ imponierten mir. Johnson galt als »deutsch-deutscher Autor« und war der Erste, der die deutsche Teilung zum Thema machte. Was die ›DDR-Literatur‹ anging, so beschäftigte ich mich mit Volker Braun und Stefan Heym; gegen Christa Wolf hatte ich Vorurteile. Ich glaube, ich habe bis heute noch kein Buch von ihr in der Hand gehabt. Brigitte Reimann sagte mir zu und auch Rolf Schneider.

Wenn ich an die amerikanische Literatur dieser Zeit denke, fällt mir als Erster Henry Miller mit seinem Wendekreis des Krebses und seinem Wendekreis des Steinbocks ein. Diese Bücher waren zwar viel früher geschrieben worden, aber erst jetzt waren sie wirklich aktuell. Miller, wie Thomas Wolfe ein zwanghafter Egoist, schilderte in seinen Büchern seine sexuellen Eskapaden im selbstgewählten Pariser Exil. In den USA erschienen diese Werke erst in den 1960er Jahren und zogen eine Reihe von Gerichtsprozessen nach sich, dadurch wurden sie auch in Europa bekannt.

›Lolita‹, der Skandal-Roman von Vladimir Nabokov, hat mich nie als Skandal interessiert, sondern nur wegen seiner Sprache und dem Mut, eine solch ungewöhnliche Liebe wie die zwischen dem älteren Humbert Humbert und der blutjungen Lolita zu beschreiben. Nabokov war in Sankt Petersburg geboren und starb 1977 im Palace Hotel von Montreux, wo er mit seiner Frau über Jahre gelebt hatte. Das war immer mein Vorbild. Wenn ich jedoch nicht bald den ganz großen Erfolg lande, wird mir dieses Lebensziel verwehrt bleiben. Insgesamt habe ich Nabokows Bücher – zu seinen bekanntesten Werken zählen neben Lolita die Romane Pnin, Fahles Feuer und Ada oder Das Verlangen - geliebt. Weitere wichtige amerikanischen Schriftsteller waren für mich: Paul Auster, Joseph Heller mit Catch 22, Kurt Vonnegut mit einem Schlachthof 5, Philip Roth und seine Jammerei Portnoy's Beschwerden, John Barth Der Tabakhändler, John Updike Ehepaare und Truman Capote Kaltblütig. Auf meinem Bücherregal standen und stehen immer noch Werke von so wunderbaren Autoren wie Saul Bellow, Bernard Malamud, E.L. Doctorow und, gasnz wichtig, Isaar Bashevis Singer. Als Bühnenautoren schätzte ich vor allem Tennessee Williams und Arthur Miller.

In dem unglückseligerweise immer noch aktuellem Fachbuch Macht und Ohnmacht der Autoren werde ich liebenswürdigerweise als belesen charakterisiert.

Der Geist der Siebziger

Die Siebziger besitzen insgesamt eine gewisse Attraktivität. In diesen Jahren fand ein bedeutender gesellschaftlicher Wandel statt, der noch die Gegenwart prägt. Sie sind keineswegs mit dem Terrorismus und dem ›deutschen Herbst‹ gleichzusetzen. Es war nicht ausschließlich die Zeit einer BRD noir, sondern auch die der verschiedenen ekstatischen Augenblicke. Für einen Verwandlungskünstler wie David Bowie, der mit Haltungen, Kostümen und eben auch Genres jonglierte und sich alle paar Jahre neu erfand, war diese Zeit eine ideale Spielwiese. Bowie wurde so zur archetypischen Figur dieses Jahrzehnts.

Für das gemeine Volk ließ es Peter Alexander 1968 und danach musikalisch krachen. »Komm und bedien‘ dich« sang er in der deutschen Fassung der Tom-Jones-Nummer Help yourself. Fröhlich, überdreht, nahezu entfesselt und auch ein bisschen anzüglich klang Peter Alexander: »Ich lad dich ein, und du sagst Yes, und zum Dessert gibt’s Happiness». Alexanders Version des Welthits machte die von Künstlern und Intellektuellen angestoßene sexuelle Befreiung für die breite Masse verdaulich. Allerdings: Auf Platz eins der Hitlisten stand wochenlang ›Mama‹ von Heintje!

Orange, gelb und rot prägten mit schrägen Popmustern das Ambiente der Siebziger. Aus Sicherheitsgründen wurde die Anschnallpflicht bzw. der Einbau von Sicherheitsgurten in den PKWs verbindlich. Meine damalige Frau liebte Seidenblumen und Perücken; davon hatte sie mehrere in verschiedenen Blond. Nach den Erfahrungen mit den gemeinsamen Ferien mit Thiemts fuhr sie gern allein in Urlaub, und ich lief eine Weile mit sehr langen Haaren herum. Meine erste Blue Jeans trug ich mit 25 und mit H.G. Thiemt duzte ich mich niemals. Das wurde zum Markenzeichen in einer Branche, in der jeder jedem schon nach fünf Minuten um den Hals fällt.

Die Schlagworte dieser Jahre waren: Hippies, Neue Soziale Bewegungen, Friedensbewegung, Anti-Atomkraft-Bewegung samt Demonstrationen, Bhagwan, Jesus-People, Playback-Theater, Punk, Rasterfahnung, Schulmädchen-Report, Emma, Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Das Fernsehen steuerte Dalli-Dalli bei, Der große Preis, Je später der Abend, Kojak, Quincy, Columbo. Gern gesehen wurde auch Der Seewolf sowie Einmal im Leben, geschichte eines Eigenheims.

Die Siebziger Jahren waren die Zeit von Frau Sommer, Jacob’s Krönung und dem Senso-Schaf. Und auch typisch für die Zeit: »Die Sinalco schmeckt, die Sinalco schmeckt, die Sinalco, die erfrischt und schmeckt«.

Insgesamt war Zukunft damals etwas, auf das man sich ohne Wenn und Aber freuen konnte; alles Neue, Unbekannte und Experimentelle wurde noch als Verheißung empfunden und nicht wie heute als Bedrohung. Erste Wermutstropfen – etwa die Ölkrise von 1973 und der Report ›Die Grenzen des Wachstums‹ – trübten zwar die Wachstums-Euphorie, entfaltete ihre Wirkung auf das gesellschaftliche Klima aber erst allmählich. Sogar sehr allmählich.