Fundstücke

Aktuelles
Jüdische Lebenswelt im Hunsrück

Im angesehenen Wissenschaftsverlag De Gruyter erschien 1992 die Studie ›Jüdische Lebenswelten in Spielfilmen und Fernsehspielen: Filme zur Geschichte der Juden von ihren Anfängen bis zur Emanzipation 1871‹ von Dietmar Pertsch. Darin beschäftigt sich der Autor, der die Darstellung jüdischen Lebens im Spielfilm und in Fernsehspielen (beginnend in den Biblischen Zeiten und bis zum Holocaust reichend) untersucht, auch sehr ausführlich mit der Serie ›Ich, Christan Hahn‹ von Hans-Georg Thiemt und Hans Dieter Schreeb. Diese Serie zeigt das Leben in einem Drei-Dörfer-Fürstentum im 18. Jahrhundert, regiert von ›unserem gnädigen Herrn Grafen‹. Von Pertsch wird er zu Recht als amouröser Tunichtgut und bankrotter Betrüger charakterisiert.Die Serie wurde 1985 vom Südwestfunk in Zusammenarbeit mit SRG produziert und mehrfach ausgestrahlt. Dietmar Pertsch zeigt sich erstaunt darüber, dass der vom Trödelhandel lebende Sackjude Blaustein fast die einzige positive Identifikationsfigur der Serie ist:»Die Figur des Blaustein folgt in einer niederen sozialen Schicht dem positiven Judenbild Gellerts und des frühen Lessing. Aus didaktischen Gründen wird Blaustein als charakterlich Höherstehender und als einziger Mann mit Durchblick gezeichnet, der positiv auf die christliche Umwelt einwirkt, die ihm in einer Mischung aus Respekt und Vorurteilen begegnet:Dekan: Ist ja erstaunlich, dieser Sackjude … Ein Philosoph steckt in dieser Krämerseele.Lutz: Aber ein tückisches Wesen hat er.Dekan: Das will ich nicht hören, Lutz. Naja, er hat einen fremden Glauben und eine verschlossene Art. Aber tückisch – nein! Er ist ein belesener Mann. Die Linie der erstaunten Wahrnehmung menschlicher Qualitäten bei Juden nach anfänglicher Ablehnung gemäß überlieferter Vorurteile setzt sich bei der Präsentierung der übrigen Juden der Serie fort. Jüdische Bezugsfigur des Grafen ist nicht wie bei den Dorfbewohnern der Trödler Blaustein, sondern ›der Jude‹ ist in seiner Perspektive ein Geldverleiher, ein Geldwechsler mit hohem Zinsfuß, der ihm ›im Nacken sitzt‹, dem er ›die letzten Kreutzer geben‹ müsse und den der Film auch – ohne daß dabei das antijüdische Wuchererstereotyp verwendet wird – bei seinen Geschäften zeigt. Juden sind es, die die Betrugsmanöver des Grafen aufdecken und die Wende auch im Leben des vierzehnjährigen Christian Hahn bewirken: Der lernt einen jungen Kaufmann kennen, der in Frankfurt ein Bankgeschäft eröffnen will. Dieser sympathische junge blonde Mann in jüdisch-orthodoxer Kleidung (nach dem Gesetz der Familienserie tritt er als Blausteins Neffe auf) war im nationalsozialistischen Film neben Jud Süß die schlimmste antisemitische Hetzfigur, geradezu die Inkarnation eines jüdischen Kapitalisten (in der Sprache der Nazis: der ›jüdisch-englischen Plutokratie‹), nämlich der Seniorchef der Bankfamilie Rothschild. Die Einführung des zwanzigjährigen Meyer Rothschild (1744 – 1812) in eine 1760 spielende Familienserie ist kein rationale Antisemitismusaufarbeitung, aber immerhin ein beachtenswertes Zeichen.«    Neues über Elisabeth von Heyking und Alfons von Mumm Der Gesandte, später Botschafter Alfons Mumm von Schwarzenstein und die Diplomatengattin (und Romanautorin) Elisabeth von Heyking, beide Personen in dem Roman ›Hinter den Mauern von Peking‹ von Hans Dieter Schreeb – der Eine die Hauptfigur, die Andere eine interessante Nebenfigur – werden in gleich zwei neuen Biografien beschrieben. Im Oase Verlag, Badenweiler, ist das sehr reich bebilderte Sachbuch ›Mumm‹ von Peter Hahn herausgekommen. Es trägt den Untertitel ›Diplomat, Photograph & anders als die Anderen‹. Dies ›anders als die Anderen‹ bezieht sich auf die Homosexualität des Diplomaten, die erstaunlicherweise völlig als seine Privatangelegenheit behandelt und niemals zum Thema in der Öffentlichkeit wurde. Noch erstaunlicher: Zu einer Zeit, als Homosexualität zur völligen Vernichtung der bürgerlichen Existenz, ja ins Gefängnis führen konnte, besuchte Kaiser Wilhem II. seinen lieben Mumm in dessen Privatresidenz Castello San Giorgio in Portofino. Was die Fotografie angeht: Alfons Mumm von Schwarzenstein (aus der Champagnerdynastie Mumm) hat eine erstaunliche Fülle von, mit sehr viel Mühe selbst erstellten, Fotos hinterlassen. Sie zeigen das Kaiserreich China so, wie es um 1900 war: heruntergekommen und vor seinem Ende. Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch mit Texten von Peter Hahn und den Botschaftern Hans-Ulrich Seidt und Ingold Bierbach. Die meisten der vielen Bilder, die dem Buch beigegeben sind, werden bislang nur Wenige gesehen haben. Außerdem (und auch nicht unwichtig): Auf der Rückseite, die üblicherweise der Werbung vorbehalten ist, wird der Anfangssatz des Romans ›Hinter den Mauern von Peking‹ zitiert: »Der kaiserliche Gesandte von Mumm hatte außer seiner Neigung zu jungen Männern nur eine Leidenschaft, nämlich die zur Photographie.« Von dem promovierten Historiker und habilitierten Politikwissenschaftler Herward Sieberg stammt die 630 Seiten umfassende, sehr profunde Biographie ›Elisabeth von Heyking – Ein romanhaftes Leben‹, erschienen im Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich und New York. Die sehr schöne und sehr kluge Frau von Heyking ist wegen des Berufs ihres Mannes – er war ein nicht eben brillanter Diplomat – viel in der Welt herumgekommen. Sie lebte in den USA, in Chile, Britisch-Indien, Ägypten und China sowie in Mexiko und hatte entsprechend viel zu erzählen. Und sie erzählte sehr gut; kein Wunder, möchte man sagen, war sie doch die Enkelin von Achim und Bettine von Arnim. Mit ihrem Roman ›Briefe, die ihn nicht erreichten‹ hatte sie einen Welterfolg, wie ihn bis dahin kein deutscher Schriftsteller erreicht hatte (sieht man von Luther ab). Der Erfolg kam gerade richtig, in einer tiefen Lebenskrise der Elisabeth von Heyking nämlich. Ihr wirklich sehr romanhaftes Leben ist im Laufe der Jahrzehnte immer wieder mal erzählt worden, aber nie so gründlich wie in diesem Buch. Sein Autor hat mehr als zehn Jahre geforscht und gefeilt und dabei alle nur denkbaren Quellen im In- und Ausland ausgewertet. So kann er dem Leser nun sehr viele, bisher unbekannte Details bieten, die insgesamt ein sehr gutes Bild der Epoche vor dem Ersten Weltkrieg ergeben und weit mehr erzählen als ein persönliches Schicksal.     Kurleben Hans Dieter Schreeb hielt im März 2013 in seiner Heimatstadt Wiesbaden einen Vortrag über das ›Kurleben‹ zur Jahrhundertwende von 1900. Angelika Eder berichtete darüber in einem freundlich gehaltenen Artikel mit dem Titel ›Als Goethes Geld davonrollte‹.  Sowohl der Wiesbadener Kurier wie das Wiesbadener Tagblatt druckten diesen Artikel. Hier die ersten Zeilen:   »Genaustens recherchierte historische Fakten + gute Unterhaltung = Hans Dieter Schreeb. Gemäß dieser Gleichung, nicht nur in der Geburtsstadt des Autors hinreichend bekannt, gab es während seines Vortrags ›Kurleben. Die Glanzzeit der Wiesbadener Hotellerie‹ beim Verein für Nassauische Altertumskunde im Hessischen Hauptstaatsarchiv keinen einzigen leeren Platz. Der inzwischen in Berlin lebende Autor, der nicht nur mit seinem Romanen wie ›Petersburger Hof‹ oder dem Bildband ›Kaiserzeit‹ sowie Fernsehspielen Erfolge feierte, sondern auch erst kürzlich mit seinem Textbuch zu ›Tell - Das Musical‹, freute sich über den Andrang: »Je mehr zusätzliche Stühle aufgestellt werden, umso besser werde ich.« Und so waren seine detaillierten Ausführungen einmal mehr ebenso informativ wie vergnüglich, nicht zuletzt dank der historischen Ansichtskarten von Detlef Schaller …«     Kindermord Über den Kindermord auf dem Eichberg hat der Wissenschaftler Lutz Kaelber unter dem Titel ›Gedenken an die NS-»Kindereuthanasie« – das Fallbeispiel der Landesheilanstalt Eichberg‹ im April 2012 einen langen, sehr gründlich recherchierten Beitrag ins Internet gestellt. Zu finden unter www. Gedenkstaettenforum/de In dieser Untersuchung heißt es über Hans Dieter Schreeb: »Solche Versuche, den Kindermord auf dem Eichberg zu erforschen und darüber zu berichten, haben aber anscheinend wenig daran geändert, dass in der Region nach wie vor geringes Interesse an der Thematik besteht. Jedenfalls lässt sich dies aus der Reaktion schließen, die der regional bekannte Journalist Hans Dieter Schreeb erfuhr, als er im Jahr 2006 im »Wiesbadener Tageblatt« eine Serie zu der Geschichte der Anstalt Eichberg veröffentlichte, in der er auch auf die »Euthanasie«-Morde einging. Im Gegensatz zu anderen regionalbezogenen Berichten des Journalisten, auf die es gewöhnlich immer ein reges Leserinteresse mit entsprechenden Zuschriften an die Zeitung gab, herrschte in Bezug auf die Morde auf dem Eichberg Totenstille.«   Herrenmenschen Die Seite www.schwule-literatur.de bietet einen Beitrag von Joachim Bartholomae. Unter dem Titel »Kracht gegen Krüss oder: ein schwuler Helgoländer in der Südsee« schreibt er über den Roman ›Imperium‹ von Christian Kracht und Gepflogenheiten des Verlages Kiepenheuer und Witsch. Dabei erwähnt er auch den Roman ›Hinter den Mauern von Peking‹: »Wer sich für deutsche Herrenmenschen im Kolonialdienst S.M. interessiert, dem sei Hans Dieter Schreebs Roman „Hinter den Mauern von Peking“ aus dem Jahr 1999 empfohlen, auch hier ist der Herrenmensch schwul, aber immerhin eine der Hauptfiguren.(»Posted on März 9, 2012«)   Trustees for the Public? In ihrer Doktorarbeit ›Trustees for the Public? Britische Buchverlage zwischen intellektueller Selbstständigkeit, wirtschaftlichen Interessen und patriotischen Verpflichtungen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs‹, die vom Harrassowitz Verlag Wiesbaden als ›Mainzer Studien zur Buchwissenschaft Nr. 18‹ herausgegeben wurde, zitiert die Autorin Judith Claudia Joos auch Hans Dieter Schreeb. Sie beschäftigt sich an dieser Stelle mit der Beziehung der Verlage Allen and Unwin, London, und Karl Baedecker, Leipzig beziehungsweise der Verleger Stanlay Unwin und Hans Baedecker. In guten Zeiten hatte es eine fruchtbare, enge Zusammenarbeit, ja Freundschaft zwischen den beiden Verlagen und ihren jeweiligen Verlegern gegeben. Durch die Nationalsozialisten wurde dieses Verhältnis auf eine schwere Probe gestellt. Unwin wußte zum Beispiel nicht, dass sich Baedecker gleich zu Beginn der Naziherrschaft durch einen zinslosen Kredit in die Abhängigkeit des Propagandaministeriums gebracht hatte. Im Zusammenhang mit der Geschichte des sehr besonderen Reiseführers Das Generalgouvernement schreibt Frau Joos in einer Anmerkung: »Hans Dieter Schreeb stellt jedoch angesichts des 1943 erschienenen Baedecker Reisehandbuchs Das Generalgouvernement fest, dass der Verlag damit auf Anregung von Reichsminister Dr. Hans Frank einen reinen Propagandaband für Goebbels Ministerium veröffentlicht habe, von dem der Verlag 1998 in seiner Chronik selbst einräumte, er sei sicher ›kein Ruhmesblatt.‹« Frau Joos zitiert dabei aus einem Artikel von Hans Dieter Schreeb, den die Zeitschrift ›Aus dem Antiquariat‹ in ihrer Ausgabe 5/2003 druckte. PS: Die Besprechung des Baedecker Reiseführers Das Generalgouvernement brachte Hans Dieter Schreeb auf den Gedanken, das Schicksal einer Mitläuferin in ›Deutschlands wildem Osten‹ zu erfinden – Lilo Kaminski, Heldin des gleichnamigen Hörbuchs, herausgebracht vom Verlag wortstark, und eines Romans, an dem der Autor arbeitet.     Eine unvergessliche Reise In einem ›Bericht über eine unvergessliche Reise – mit der Transsib von Peking nach Moskau‹ erzählen die ›NaturFreunde in Wiesbaden e.V.‹ von ihrem Abenteuer in China, der Mongolei und in Russland: »Der nächste Tag bot gleich 2 Höhepunkte: die chinesische Mauer bei Huangyuguang und die Ostgräber, in denen die Herrscher der Quing Dynastien begraben wurden. Der Besuch dieses Abschnittes der Mauer und der Gräber war insofern eine gute Wahl, als dass dieser Teil touristisch nicht überlaufen ist, die große Mauer ohne die sonst so störenden ›Hallo-Händler‹ erklommen werden konnte und der Besuch des Grabes der Kaiserinwitwe Ci Xi (sie regierte von 1875 bis 1908) uns den Roman ›Hinter den Mauern von Peking‹ von Hans Dieter Schreeb in Erinnerung rufen konnte.« (http://www.naturfreunde-in-wiesbaden.de)