Patienten gibt’s

Fernsehen

Serie, dreizehn Folgen, ZDF

Merkwürdigerweise handeln die meisten Krankenhausserien nur von Ärzten und Schwestern, obwohl diese beiden Gruppen schon rein zahlenmäßig in der Minderheit sind. In dieser Serie haben zwei Patienten aus Zimmer 101 – der ehemalige Schiffskoch Brenner und der agile Lexika-Vertreter Heck die Hauptrollen. Sie agieren in einem Krankenhaus, wie es überall in Deutschland stehen könnte: mit Ärzten, die hinter dem Geld her sind, mit Schwestern, die hinter Ärzten her sind, und mit Patienten, die unbedingt ›’raus wollen‹. Sie agieren somit in teils komischen, teils nachdenklichen, aber immer in für die Autoren Thiemt und Schreeb typischen Geschichten.

Auch Ullstein-Taschenbuch Nr. 20503

Leseprobe:

Wiebel klopfte ihm mit seinen Marzipanfingern auf die Wange, erst zart, dann kräftiger.

»Herr Heck, Visite!«

Heck schlug wunschgemäß die Augen auf. Das erste, was er erblickte, war Fräulein Busse. Die brave Schildwacht saß an seinem Bett und strickte.

»Na, Fräulein Busse, lassen wir schon wieder fleißig die Nadeln tanzen?«, ärgerte er sich grundlos und ungerecht.

Ihr Gesichtsausdruck wechselte. Die demütige Zuneigung, die sie eben noch gezeigt hatte, verschwand wie ausgeknipst. Bestürzung und eine Spur Dummheit erschienen.

Sie erhob sich gekränkt und begann, ihre Wolle, den halbfertigen Pullover, die Nadeln und das Metermaß einzupacken. Sie stopfte alles in einen Rotkäppchenkorb aus geflochtener Weide, einem unpraktischen Ding. Das Wollknäuel hakte sich an einem vorwitzigen abgesplitterten Span fest. Als sie daran zerrte, rutschte ihr die Wolle aus der Hand, rollte unters Bett, wickelte sich dabei ab.

»So habe ich es doch nicht gemeint«, entschuldigte sich Heck halbherzig.

Fräulein Busse, die um das Bett herumrutschte und mit langem Arm nach der verschwundenen Wolle tastete, würdigte ihn keiner Antwort.

Brenner konnte es nicht mit ansehen: »Herr Heck, Sie verdienen gar nicht, Sie Stoffel ...«

Dr. Lauritz kam, von seinen Getreuen begleitet, forsch ins Zimmer: »Tag, meine Herren.«

»Tag, Herr Doktor.«

Dr. Lauritz nahm eine Bewegung zu seinen und Hecks Füßen wahr, die er sich nicht sofort erklären konnte. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass es sich da um eine ansehnliche junge Frau handelte. »Dr. Lauritz«, stellte er sich mit gebotener chefärztlicher Ironie vor. »Gisela Busse«, antwortete diese und hatte das Gefühl, etwas Falsches geantwortet zu haben. Endlich fand sie das Wollknäuel und stand mit flammendem Kopf auf. »Ich gehe schon«, kündigte sie nervös an, als sie merkte, dass sie Sand im Getriebe war.

»Wir haben es nicht eilig«, beruhigte Dr. Lauritz und musterte mit einigem Interesse Fräulein Busse, die endlich ihre Siebensachen verstaut hatte und davonflatterte.

Dann nahm er sich Heck vor: Keine Besserung zu erkennen, eher das Gegenteil, also Nachsitzen. Danach war Brenner dran. »Was macht die Leber, Herr Brenner?« Der alte Fahrensmann legte stumm, leicht lethargisch den Bauch frei. Dr. Lauritz tastete den dekorativ tätowierten Seemannskörper ab. Dabei bewunderte er aufs neue das Kunstwerk, das ihm schon vertraut war: Auf Brenners Vorderseite wucherte ein farbenprächtiger Zauberwald. Geheimnisvolle Bäume strebten in Richtung Hals, verzweigten sich zu den Schultern hin, ihr Wurzelwerk kroch ins Gekräusel seiner Männlichkeit. Eine feine japanische Arbeit, wie man sie selbst im Land der aufgehenden Sonne nicht oft fand.

Auch mit Brenner konnte Dr. Lauritz nicht zufrieden sein. »Sie machen uns doch keinen Kummer, Herr Brenner?« fragte er mit unbestimmtem Argwohn.

»Wieso denn, Herr Doktor? Essen und Trinken schmeckt«, beruhigte Brenner.