Ich, Christian Hahn

Fernsehen, Funk

Fernseh-Serie, vierzehn Folgen, Südwestfunk

Die Geschichte eines verliebten Jungen in der wild- und rheingräflichen Grafschaft Grehweiler, einer Comtesse und ihres verschwendungssüchtigen Vaters, des Herr Grafen, und alles im Jahre 1760, als der Siebenjährige Krieg gerade vier Jahre alt ist. Geschildert werden außerdem korrupte Hofbeamte, verlotterte Schulmeister und spitzfindige Pfarrer. Der Frankfurter Geldwechsler Rothschild spielt auch mit. Es wird eine bunte, abenteuerliche Welt geschildert, voll von komischen und grotesken Ereignissen. Eine Geschichte mit historischer Wahrheit – angeregt von Friedrich Christian Laukhard.

Auch Hörfunk-Serie und Ullstein-Taschenbuch Nr. 20523

Leseprobe:

Christian Hahn stand seinem allergnädigsten Grafen das erste Mal auf dem Grehweiler Markt von 1760 Aug' in Aug' gegenüber.

Die Begegnung kam so unerwartet, dass Christian, ein Bursche von zwölf und damals Ziegelstreicher in der gräflichen Ziegelei, Mund und Nase aufsperrte, wie es ganz treffend von solchen Vorkommnissen heißt. Der Graf machte Eindruck auf den Jungen: Er war in graue Seide gekleidet, sein Gesicht weiß gepudert wie bei einem Tragöden, der Mund glänzte unnatürlich rot - das war damals die Mode, nicht eine Torheit des Grafen -, und seine Haltung drückte Herablassung aus und eine Spur von Verwunderung, dass so wenige Menschen so viel Krach zu schlagen vermochten.

Der Markt war nämlich nicht nur Handel, er war auch ein gewaltiges lärmiges Spektakel. In die Musik einer Tanzkapelle mischten sich das Gejohle der Schaulustigen, das Geschrei und die Trompeten der Anpreiser; Betrunkene grölten. Wein und Bier und Branntwein lief die Kehlen hinunter, machte die Menschen sich selbst fremd. In dieser Stimmung vergaß manch einer alle Sitten und bedrängte das Frauenzimmer, das er schon lange ins Auge gefasst hatte, oder fand sein Glück. Auch dem Christian schlug auf dem Grehweiler Markt das Herz zum erstenmal bis zum Hals.

Denn mehr als der Graf machte die Comtesse Therese, die jüngste der drei Töchter des Grafen, Christian verlegen und linkisch. Sie war hager, beinahe ebenso hoch aufgeschossen wie der Bursche, der vor ihr stand und ihr ohne Absicht, nur wegen seiner Tölpelhaftigkeit, den Weg versperrte. Christian sah Unmut in ihren Augen, glaubte jedenfalls später, welchen bemerkt zu haben, wollte Pardon erbitten oder sich wegheben oder beides. Aber nichts gelang. Er stand nur da, als hätte man ihm befohlen, just mitten auf dem Marktplatz Schildwache zu halten, und blickte der Comtesse in die flinken, immer etwas spöttischen Augen.

»Hat Er die Güte, Ihro Gnaden passieren zu lassen? Kerl, mach Er sich aus dem Staub!«, hörte er jemanden sagen.

Beschämt trat er zur Seite, in einen Kuhfladen. Der Graf, die Comtesse und die Gouvernante (ja, die Gouvernante vervollständigte das Bild) zogen weiter.

Noch Jahre danach war Christian überzeugt, die Comtesse habe sich noch mal nach ihm umgewandt und ihm zugelächelt.